Barrierefreiheit ist politische Haltung

Foto: Waldemar via Unsplash  

Mitte April haben wir in der Hansestadt Stendal die Mitgliederversammlung unseres Kreisverbands Altmark abgehalten. Es war eine von mir vorbereitete Versammlung, rechtzeitig einberufen, mit einer dichten Tagesordnung und wichtigen Entscheidungen, wie der Wahl unserer Delegation für den bevorstehenden 52. Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Und dennoch: Es war eine Versammlung, die nicht allen Mitgliedern gleichermaßen offenstand.

Eines unserer Mitglieder, das auf einen Rollstuhl angewiesen ist, konnte nicht teilnehmen. Der gewählte Veranstaltungsort – das ehemalige Gertraudenhospital – war nicht barrierefrei. Zwar hatte ich im Vorfeld eine mobile Rollstuhlrampe organisiert, doch sie erwies sich am Ende als ungeeignet. Das Mitglied kam, sah die Gegebenheiten, entschied dann, dass eine Teilnahme ohne Weiteres nicht möglich sein würde – und fuhr wieder. Die Versammlung hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen. Wir verlegten sie daraufhin nach draußen, in der Hoffnung, diesem Mitglied doch noch die Teilnahme zu ermöglichen. Vergeblich.

Ich habe diesen Vorfall in den letzten Tagen oft durchdacht. Ja, ich habe frühzeitig versucht, einen geeigneten Raum zu finden – und unter Druck eine Entscheidung getroffen, um die satzungsgemäße Einladung zu gewährleisten. Ja, ich habe mich bemüht, eine Lösung zu finden. Und ja, ich finde auch, dass der anschließende Versuch des betroffenen Mitglieds, die Beschlussfähigkeit der Versammlung rechtlich infrage zu stellen, wenig konstruktiv war. Aber all das ändert nichts an einem einfachen, unbequemen Punkt: Ich habe es nicht geschafft, eine Mitgliederversammlung so zu organisieren, dass alle Mitglieder teilnehmen konnten. Das darf uns als Partei nicht passieren. Nicht, wenn wir es mit Teilhabe und Inklusion ernst meinen. Nicht, wenn wir uns zu einer barrierefreien Gesellschaft bekennen. Nicht, wenn wir Menschen einladen, sich einzubringen, und ihnen dann faktisch den Zugang verwehren.

Aus dieser Erfahrung heraus habe ich für den kommenden Landesparteitag einen Antrag eingereicht: Künftig sollen alle Landesparteitage und Mitgliederversammlungen der Kreisverbände ausschließlich an barrierefreien Orten stattfinden dürfen. Die Barrierefreiheit soll – neben der satzungsgemäßen Einladung und dem in einigen Satzungen vorgeschriebenen Quorum – eine verbindliche Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit einer Versammlung sein.

Dieser Antrag ist keine Reaktion auf eine Auseinandersetzung, sondern ein Ausdruck von Verantwortung. Er soll helfen, solche Situationen künftig zu vermeiden – nicht durch Appelle, sondern durch klare Regeln. Denn Barrierefreiheit ist kein organisatorisches Detail. Sie ist ein Ausdruck unserer politischen Haltung.

Ich hoffe auf breite Unterstützung für diesen Antrag. Und ich wünsche mir, dass wir als Partei aus (meinen) Fehlern lernen – gemeinsam, ehrlich und mit dem Mut zur Veränderung.