Die Landes-CDU am Scheideweg
© Steffen Böttcher © Vincent Grätsch
Ich hege momentan wenig Hoffnung, dass die CDU in Sachsen-Anhalt ihre Lektion aus den letzten Wahlergebnissen wirklich lernt und die richtigen Konsequenzen ziehen wird. Bereits bei der Landtagswahl 2021 verdankte sie ihre Direktmandate den „Leihstimmen“ wirklich besorgter Wähler*innen – ein taktisches Votum, das die AfD verhindern sollte. Doch kaum waren die Wahllokale geschlossen, berauschte sich die Partei an ihrem vermeintlichen Wahlsieg.
Es folgte keine Demut, kein entschlossenes Engagement für die demokratische Zivilgesellschaft und erst recht keine klare Haltung gegen Rechts – vor allem nicht in der eigenen Landtagsfraktion. Über drei Jahre später hat die AfD bei der Bundestagswahl sämtliche Wahlkreise in Sachsen-Anhalt gewonnen und träumt nun offen von der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im kommenden Jahr. Es ist höchste Zeit, dass die CDU ihren Kurs ändert.
Wer regiert, trägt Verantwortung
Nach 23 Jahren ununterbrochener Regierungsverantwortung trägt die CDU die volle Verantwortung für die demokratiegefährdende Lage in Sachsen-Anhalt. Diese unbequeme Wahrheit muss in aller Deutlichkeit festgehalten werden: Wer regiert, trägt unweigerlich die Verantwortung. Und der Versuch, die AfD rhetorisch und inhaltlich zu kopieren, hat diese nur gestärkt – denn am Ende wird stets das Original gegenüber der Imitation bevorzugt.
Nun liegt es an der Landes-CDU, ob sie in den kommenden anderthalb Jahren den Weg zurück in die demokratische Mitte findet und ihre Koalitionsfähigkeit mit anderen demokratischen Parteien bewahrt – oder ob sie weiterhin jenen Rechtskurs fährt, der über kurz oder lang der AfD den Weg an die Macht ebnen wird. Mit dem absehbaren Ende der Ära Reiner Haseloff wird voraussichtlich vieles auch von Sven Schulzes zukünftiger Rolle und seinem Kurs abhängen.
Bündnisgrüne Wahlstrategie
Das Verhalten der Landes-CDU hat nämlich nicht nur Bedeutung für Sachsen-Anhalt, sondern auch für uns als Bündnisgrüne. Wir stehen vor einer strategischen Weichenstellung: Führen wir einen Wahlkampf für eine demokratische Mehrheit oder gegen eine Regierungsbeteiligung der rechtsextremen AfD? Als Partei müssen wir diese Frage beantworten, doch unsere Entscheidung wird auch eine Reaktion auf den Kurs der CDU sein müssen.
Beides zugleich erscheint mir kaum möglich. Eine Koalition mit der CDU – ergänzt um eine dritte Partei – würde derzeit jedoch noch auf wackeligen Fundamenten stehen. Deshalb steht die CDU, sofern sie es ernst meint mit ihrer Abgrenzung zur AfD, gleich doppelt im Fokus. Die nächsten 18 Monate werden zeigen, ob sie diese Verantwortung trägt – und damit über die politische Zukunft unseres Bundeslandes mitentscheiden.