Meine Bewerbungsrede

Beim 52. Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt am 17. Mai 2025 in Magdeburg habe ich mich für das Amt des Landesvorsitzenden beworben. Im Sinne einer offenen und transparenten Kommunikation stelle ich hier meine Bewerbungsrede zur Verfügung.

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich bin Tobias Kremkau, 40 Jahre alt, gebürtiger Magdeburger, Vater von zwei wunderbaren Kindern – und Kreisvorsitzender in der Altmark. Einer Region, in der Politik nicht auf Podien stattfindet, sondern am Stammtisch, im Dorfladen oder beim Elternabend. Wo es nicht um große Worte geht, sondern um Haltung im Kleinen. Und wo ich gelernt habe, Zukunft mit knappen Mitteln, aber viel Engagement zu gestalten.

Menschen hier fragen nicht: Was geht nicht? Sondern: Was können wir möglich machen? Und genau diese Haltung möchte ich als Landesvorsitzender einbringen: Mut zur Verantwortung, Lust auf Veränderung – und den festen Glauben daran, dass Politik dann wirkt, wenn wir sie gemeinsam machen.

Ich trete an, weil ich überzeugt bin: Unsere Partei muss mehr sein als Wahlkampf. Sie soll wieder das werden, was viele von uns hierhergeführt hat: eine politische Heimat. Für Menschen, die Haltung zeigen – in Quedlinburg wie in Jessen, vom Arendsee bis nach Zeitz.


Ich kandidiere auch, weil ich mir Sorgen mache. Um unsere Kreisverbände – besonders im ländlichen Raum. Mein eigener Kreisverband stand kurz vor der Auflösung: knapp 80 Mitglieder, aber niemand, der Verantwortung übernehmen wollte.

Als Doro, Christian Hauer und ich den Notvorstand übernahmen, war das ein Neuanfang – aber kein leichter. Zehn Monate lang war ich kommissarischer Schatzmeister ohne Zugriff aufs Konto – mitten im Wahlkampf. Es war, als würde ich Schach spielen, aber meine Figuren nicht bewegen dürfen.

Nur mit der Hilfe von John, meines Vorgängers Christian Franke-Langmach und Madeleine – der wir als Kreisverband unfassbar viel zu verdanken haben – blieben wir handlungsfähig. Und durch die Unterstützung von Nicole aus Halle fanden wir den Mut, weiterzumachen.

Heute stehen wir wieder zu dritt in einem ordentlichen Vorstand. Unser Kreisverband wächst. Neue Aktive kommen dazu. Das Gefühl ist zurück: Wir können hier etwas bewegen.


Diese Erfahrung hat mich geprägt. Und sie hat mir gezeigt: Es geht nicht nur um Inhalte – es geht um Strukturen.

Ich sehe in unseren Kreisverbänden kluge Köpfe, mutige Ideen, viel Einsatz – aber auch Erschöpfung. Wir denken unsere Partei oft von oben nach unten. Aber lebendig wird sie nur von unten nach oben. Die Arbeit vor Ort gibt uns erst Gesicht und Glaubwürdigkeit.

Was wir brauchen, ist eine Strategie, die unsere Kreisverbände stärkt – besonders im ländlichen Raum. Nicht nur punktuell zur Wahl, sondern dauerhaft: beim Aufbau von Geschäftsstellen, bei der Suche nach Engagierten, bei der Qualifizierung unserer Ehrenamtlichen.


Und wir müssen uns fragen: Wie heißen wir eigentlich Menschen willkommen, die mit uns sympathisieren, aber noch nicht Teil der Partei sind? Finden sie Anschluss – oder scheitern sie an Verfahren, Gremien, Erwartungen?

Ich glaube nicht, dass die Menschen politikverdrossen sind – sie fremdeln mit Parteien. Unsere Aufgabe ist es, Brücken zu bauen und Beteiligung zu ermöglichen. Nicht nur in Sitzungen, sondern auch im Dorfgemeinschaftshaus, im Coworking-Space oder auf dem Marktplatz.

Ich wünsche mir, dass wir uns wieder als das begreifen, was wir immer sein wollten: eine Bündnispartei. Vor Ort arbeiten wir mit demokratischen Partnern zusammen. In ländlichen Regionen oft mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, die Haltung zeigen. Wo wir so auftreten, sind wir glaubwürdig – und wirksam.


Lasst uns ein Landesverband sein, in dem solche Bündnisse entstehen können. Ein Verband, der Räume schafft für neue Ideen – ob im Harz, in der Börde oder im Burgenlandkreis. Denn Demokratie braucht Orte der Begegnung – und wir können genau so ein Ort sein.

Unsere Stärke liegt nicht im Einzelkampf, sondern im Zusammenspiel. Wir sind keine Solist*innen im Wahlkampf, sondern Möglichmacher*innen vor Ort.


Ja, wir müssen Wahlen gewinnen. Aber wer unsere Partei nur als Wahlkampfmaschine versteht, verkennt ihre Stärke als Ort der Gemeinschaft. Unsere Strukturen sind für Dauerwahlkampf nicht gemacht – sie sind überlastet und oft auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet.

Ich habe in den letzten Wochen viele Gespräche geführt. Immer wieder kam derselbe Zielkonflikt zur Sprache: zwischen dem berechtigten Fokus auf unsere Landtagsfraktion – und dem Zustand unserer Kreisverbände vor Ort.

Doch das darf kein Entweder-oder sein. Ohne Kreisverbände kein Wahlkampf. Ohne Fraktion keine Umsetzung unserer Ideen. Beides gehört zusammen – und wir brauchen beides.


Was wir aber nicht zulassen dürfen, ist dieses Gefühl: Die Basis wird nur gebraucht, wenn Plakate geklebt werden müssen. Unsere Partei ist mehr als ein Mandatsbeschaffer – sie ist Bewegung, Plattform, Gemeinschaft.

Genau das will ich stärken: Eine Parteiarbeit, die sich an Menschen orientiert – nicht an Wahlterminen. Die aufbaut statt nur abruft. Die trägt, statt Ehrenamtliche zu überfordern.

Deshalb: Lasst uns einen Wahlkampf führen, der verbindet statt spaltet. Weniger Angriffsmodus, mehr „Lasst uns das gemeinsam besser machen.“ Mit einer Sprache, die ehrlich, verständlich und nahbar ist – besonders in einem Land wie Sachsen-Anhalt, wo viele verunsichert sind und Vertrauen verloren haben.

Unsere Stärke liegt in der Vielfalt unserer Regionen – und genau dort müssen wir präsent sein – auf dem Wochenmarkt, bei Wanderungen, im Netz. Persönlich, ehrlich, nahbar. Und unterstützt von denen, die mit uns gehen: aus Zivilgesellschaft, Initiativen und Wirtschaft.

So zeigen wir: Zukunft beginnt hier – bei uns. Und sie entsteht gemeinsam. Gerecht. Dezentral. Demokratisch.

Ich wünsche mir, dass wir im Wahlkampf nicht nur Stimmen gewinnen – sondern Vertrauen. Durch unsere Haltung, unsere Themen und durch die Art, wie wir miteinander und mit den Menschen in unserem Land umgehen.


Ich bringe Erfahrung aus der Zivilgesellschaft, der Kommunalpolitik und aus Netzwerken mit, die ohne Parteilogik funktionieren – und oft gerade deshalb besser. Diese Perspektive will ich einbringen: nicht belehrend, sondern unterstützend. Nicht von oben herab, sondern gemeinsam. Nicht für ein eigenes Mandat – sondern für unsere Partei und die Menschen, die auf uns setzen.

Denn: Eine Partei, die sich selbst ernst nimmt, nimmt auch ihre Basis ernst.


Lasst uns gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen. Eines, in dem wir nicht nur reagieren, sondern gestalten. Nicht nur kämpfen, sondern aufbauen. Nicht nur verwalten, sondern verwandeln.

Ich bin bereit dafür.

Vielen Dank – für eure Aufmerksamkeit, für die Gespräche der letzten Wochen und für einen fairen Wettbewerb. Es war mir eine Freude. Und es wäre mir eine Ehre, euer Landesvorsitzender zu werden.


Nachtrag: Von den 94 abgegebenen Stimmen entfielen 28 auf mich, was einem Anteil von 29,79 Prozent entspricht. Mein Mitbewerber Dennis Helmich erhielt 63 Stimmen und damit 67,02 Prozent. Zwei Delegierte enthielten sich, ein weiteres Mitglied stimmte mit Nein.