Capital zur Coworking-Flaute
Für die Wirtschaftszeitschrift Capital schreibt Jannik Tillar über die angebliche Coworking-Flaute und spricht der Branche Selbstüberschätzung zu. Die durch die Corona-Pandemie erhoffte Hochkonjunktur für Coworking Spaces trat aufgrund eines falsch eingeschätzten Nutzungsverhalten angeblich nicht ein und bedroht nun die Existenz von im Artikel anonym bleibenden Anbietern. Das passt gar nicht zu dem, was ich momentan von Coworking-Betreibern höre.
Wenn ich so etwas lese, bin ich stets sekptisch, ob der über Coworking schreibende Redakteur denn auch weiß, was Coworking ist, also in seinem Artikel auch Coworking meint. Da der Artikel hinter einer Paywall liegt, habe ich mich für ein kostenloses Probeabo angemeldet, um den Beitrag lesen zu können. Und mein Verdacht hat sich leider bestätigt; der Artikel ist Bullshit. Es geht gar nicht um Coworking, sondern um Flex-Office-Anbieter.
Seitdem Coworking an Popularität gewonnen hat, wird der Begriff für verschiedene Angebote missbraucht. Alles im Bereich Büroimmobilien, was cool sein möchte, nennt sich nun Coworking. WeWork war die Speerspitze dieses Unsinns. Nach deren Absturz nahm das Phänomen etwas ab und mehrere Anbieter schwenkten zum Begriff Flex-Office über, was der passendere Begriff ist, aber scheinbar haben noch nicht alle das Memo bekommen.
Ich trauere keinem gescheiterten Flex-Office-Anbieter hinterher. Dort wird weder Offenheit, noch Zugänglichkeit, Zusammenarbeit oder Nachhaltigkeit und Gemeinschaft — die fünf Coworking-Werte — vorgelebt. Sie alle sind auf den Coworking-Zug aufgesprungen und haben das schnelle Geld gewittert, in dem sie kleine Bürozellen mit Designmöbeln vermietet haben. Nun erleben sie, was der ganzen Bürovermietungsbranche droht: die Real-Estate-Apokalypse.
Vermutlich gibt es auch gar keine Coworking-Branche, sondern nur eine kleine, wertegetriebene Bewegung von ein paar Hundert Coworking Spaces in ganz Deutschland. Diese Orte zeichnen sich mehr durch eine Kultur des Miteinanders statt gläsener Bürozellen aus. Sie sind durch das Engagement geprägt, aus den Nutzern eine Community zu bilden (im Sinne von Gesellschaften, nicht Gemeinschaften; siehe Soziologie-Urvater Ferdinand Tönnies).