Coworking und Verwaltung
In der südhessischen Kleinstadt Fürth ist nach drei Jahren die Sanierung des Gebäudes, in dem sich das Finanzamt in Fürth befindet, abgeschlossen worden. Doch nicht nur die Mitarbeiter des Fürther Finanzamtes werden in Zukunft hier arbeiten. Im Rahmen der Strukturreform »Land hat Zukunft - Heimat Hessen«, mit der ländliche Regionen gefördert werden, wurde ein sogenanntes »Hessen-Büro« eingerichtet. Dies umfasst 15 Arbeitsplätze, die es bis zu 45 Landesangestellten ermöglichen, wohnortnah zu arbeiten und nicht immer zu ihrer Dienststelle pendeln zu müssen. Es ist nach dem 2018 eröffneten Büro in Limburg das zweite in Hessen.
Damit verfolgt Hessen einen ähnlichen Ansatz wie der Freistaat Bayern. Dort hat 2019 das bayerische Finanz- und Heimatministerium das Projekt »Behördensatelliten« gestartet. Dies sind Coworking-ähnliche Arbeitsräume im ländlichen Raum, in denen sämtliche Landesbedienstete, mit einem Fahrweg von mehr als 50 km zur jeweiligen Dienststelle, Zugang zu voll ausgestatteten Telearbeitsplätzen haben. In Altötting eröffnete bereits der erste Behördensatellit. Weitere sind in Aichach, Bad Aibling, Landsberg am Lech und Schwandorf geplant. Dadurch sollen Bedienstete weniger pendeln müssen und die Arbeit für die Verwaltung an Attraktivität gewinnen.
Ein weiteres Ziel der Behördensatelliten ist die Begegnung und Vernetzung von Bediensteten verschiedener Verwaltungs- und Hierarchieebenen. Das erforschte auch die Berliner Finanzverwaltung mit dem im Januar 2020 gestarteten Projekt »Arbeit mal anders — zukunftsfähige Arbeitskultur in der Senatsverwaltung für Finanzen«. 20 Mitarbeiter:innen nutzten für drei Monate einen aus vier Räumen bestehenden Coworking Space im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes. Diese Räume wurden auch wie ein Coworking Space eingerichtet. Die Ergebnisse des Projektes wurden in der Broschüre »Arbeit mal anders — Stufe 1« (PDF) veröffentlicht.
Die Projekte aus Hessen und Bayern fördern auch ein Senkung der berufsbedingten Pendelmobilität durch Landesbedienstete und des ländlichen Raums als Wohn- und Arbeitsort. Dies versucht das Bundesland Schleswig-Holstein ebenfalls zu erreichen, aber nicht mit eigenen Verwaltungssatelliten, sondern durch eine Option auf mobile Arbeit. Im Januar 2021 wurde beschlossen, dass Landesbeschäftigte auch Coworking Spaces als alternativen Arbeitsort für mobiles Arbeiten nutzen dürfen. Dataport als Anstalt des öffentlichen Rechts ist mit der Umsetzung beauftragt. Ich bin auf die Effekte für die regionale Coworking-Szene gespannt.
One more thing… Zu dem Thema Coworking und Verwaltung habe ich Anfang März 2021 einen Impulsvortrag auf dem BarCamp »New Work in der Verwaltung 2023/2033« gehalten. Meine Präsentation kann hier heruntergeladen werden:
P.S. Die Präsentation enthält auch eine Übersicht zu kommunalen Coworking Spaces. Dabei handelt es sich um eine Auswahl, denn inzwischen gibt es mehrere Beispiele für Kommunen, die selber ein Coworking Space betreiben.
Update vom 16.09.2021: Gestern hat das Land Schleswig-Holstein bekannt gegeben, dass Landesbeschäftigte ab dem 1. Oktober 2021 auch von Coworking Spaces, die Mitglied in der CoWorkLand eG sind, aus arbeiten dürfen. Dazu zwei Lesetipps: die dpa-Meldung auf Sueddeutsche.de und die Pressemitteilung von Dataport, die den Vertrag mit der CoWorkLand eG ausgehandelt haben.