DP Voices: Rural Coworking
Seit März 2021 moderiere ich einen Podcast für die Plattform »Digitale Provinz«. Ich bin eine von drei sogenannten Voices, die sich mit verschiedenen Aspekten des ländlichen Raums beschäftigen. Neben Mobilität (mit und von Katja Diehl) und Landleben (mit und von Frederik Fischer), befasse ich mich in dem Podcast mit der modernen Arbeitswelt im ländlichen Raum. In der ersten Folge geht es um den Begriff ›Rural Coworking‹ und was dieser thematisch umfasst.
TRANSKRIPT
Servus zusammen, sehr geehrte Zuhörer:innen. Dies ist die erste Folge eines neuen Podcasts-Formats der »Digitalen Provinz«. Die befasst sich mit der Digitalisierung abseits der Metropolen. In dieser Folge wird es um das Thema Arbeit im ländlichen Raum gehen. Und auch, welche Rolle und welchen Einfluss die Digitalisierung dabei spielt.
Seit kurzem bin ich eine von drei Voices der Digitalen Provinz. Die beiden anderen Voices sind die von mir sehr geschätzten Twitter-Bekanntschaften Katja Diehl und Frederik Fischer mit ihren jeweiligen Steckenpferden. Dies ist bei Katja die Mobilität und bei Frederik das Landleben. Beide Themenfelder besitzen Schnittstellen zum Thema Arbeit und damit zu diesem Podcast.
Vorstellung
Mein Name ist Tobias Kremkau. Ich habe die Ehre diesen Podcast zu moderieren und zusammen mit Ihnen, geehrte Zuhörer:innen, — Duzen Sie mich aber ruhig, wenn wir uns auf Twitter oder Instagram begegnen; Sie finden mich dort unter dem Handle ›isarmatrose‹. –, zusammen mit Ihnen die unterschiedlichsten Aspekte der modernen Arbeitswelt im ländlichen Bereich zu erkunden. Darauf freue ich mich schon sehr und Sie hoffentlich auch.
Ein paar Worte zu meiner Person, damit Sie besser verstehen, mit wem Sie von nun an unterwegs sind. Ich bin Mitte 30 und in Magdeburg geboren. Damals lag diese Stadt an der Elbe noch in einem anderen Land, heute liegt sie in Sachsen-Anhalt und ist die Landeshauptstadt des Bundeslandes.
Spätestens seit dem Scheitern des Medienstaatsvertrags durch die hiesige CDU-Landtagsfraktion kennen die meisten Menschen Sachsen-Anhalt und vermuten diesen Landstrich nicht mehr nur irgendwo in Brandenburg. Wir waren auch einmal das Land der Frühaufsteher. Vielleicht kennen Sie noch das Schild an der A9 zwischen Leipzig und Berlin, dass dies seltsam stolz verkündete. Rainald Grebe besang es auch in einem seiner Lieder.
Inzwischen wohne ich in Berlin-Friedrichshain, suche aber momentan aktiv nach einer Wohnung in Stendal oder Brandenburg an der Havel. Falls Sie zufällig eine Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnung in einer der beiden Städte kennen, melden Sie sich doch gerne bei mir. Wir sind momentan noch eine dreiköpfige Familie, niemand von uns spielt ein Instrument und wir teilen mit Freunden und Nachbarn auch unseren Netflix-Zugang, wenn gewünscht.
Nun aber zurück zum Podcast: Warum wurde eigentlich ich für die Moderation angefragt? Seit etwas mehr als sieben Jahren beschäftige ich mit dem Thema Coworking und wann Menschen von wo und aus welchen Gründen arbeiten. In den letzten Jahren habe ich für einen Berliner Coworking-Unternehmen mehrere Coworking Spaces geleitet, neue Standorte konzipiert und auch aufgebaut, sowie Unternehmen geholfen, diesen Teil der neuen Arbeitswelt besser zu verstehen. Inzwischen arbeite ich als Berater für CoWorkLand, einer Genossenschaft von Coworking-Space-Betreiber:innen und die Coworking-Idee unterstützende Personen aus ganz Deutschland.
Ostdeutsche Perspektive
Durch einen von mir mit entwickelten Coworking Space, dem 2018 eröffneten ›BLOK O‹ in Frankfurt (Oder) — an dieser Stelle liebe Grüße an Kathleen und Maria — habe ich zwei für mich wichtige Erkenntnisse erlangt.
Zum einen: Coworking wird seine gesellschaftliche Bedeutung im ländlichen Raum beweisen und nicht in den Metropolen. Dort ein Coworking Space zu betreiben ist zwar sehr cool, aber eben nicht wirklich wichtig. Zum anderen: Die durch ein Coworking Space ermöglichte Selbstbestimmung in der Ausübung seiner Arbeit und die Befreiung vom Ort der Arbeit dank der Digitalisierung, könnten für das von der Transformationsphase der Nachwendezeit gebeutelte Ostdeutschland eine lang ersehnte Chance sein.
Vielleicht kommen die blühenden Landschaften ja doch noch. Vielleicht dank Coworking, denn es ermöglicht Menschen, ihrer Arbeit ortsunabhängig und damit auch von Ostdeutschland nachzugehen. Niemand muss mehr, wie es in den letzten 30 Jahren millionenfach geschehen ist, für eine besser bezahlte Arbeit Ostdeutschland verlassen. Andere können, mit ihrer Arbeit im Gepäck, wiederkommen und das, ohne Einbußen beim Gehalt akzeptieren zu müssen.
Dies trifft noch nicht auf jede Arbeit zu und ist vielleicht noch mehr Utopie als Realität. Aber eine Utopie, die für einige Menschen bereits heute real ist. Diese Vorstellung ist also nicht erfunden, sondern nur noch nicht genug verbreitet. Doch dies könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Ich habe in Frankfurt (Oder) Weggezogene erlebt, die beim ersten Besuch des Coworking Spaces diesen Gedanken zum ersten Mal bekamen. Dieser neue Ort der Möglichkeiten in einer Stadt, die vielen lange keine Optionen mehr bot, inspiriert die Menschen und verändert langsam auch die gesamte Stadt.
Nun werden einige aufmerksame Zuhörer:innen bemerken, dass Frankfurt (Oder) nun nicht gerade ein Dorf ist. Wenn Coworking im ländlichen Raum relevant sein soll, warum kam mir diese Erkenntnis dann ausgerechnet in der Doppelstadt an der Oder? Und das stimmt. In Frankfurt (Oder) leben ungefähr 58.000 Menschen. Noch einmal 18.000 Menschen leben am anderen Oderufer, im polnischen Słubice. Damit ist Frankfurt (Oder) eine Mittelstadt.
Die Stadt ist aber für die sie umgebende ländliche Region Ostbrandenburgs der Bezugspunkt. Hierhin fährt man, um Zugang zu Dienstleistungen zu bekommen oder den Zug nach Berlin zu nehmen. Diese Stadt prägt das Leben der Menschen auf dem nahen Land mehr als es die Metropole Berlin, rund eine Bahnstunde entfernt, tut. Fragen Sie einmal die Menschen dort vor Ort. Nach Frankfurt (Oder) kommen sie, um einzukaufen, Bargeld am Geldautomaten abzuheben oder auf eine Veranstaltung zu gehen. Berlin mag geographisch nah sein, es fühlt sie hier aber dann doch noch weiter weg an.
Rural Coworking
Wenn es um Coworking Spaces geht, dann haben der ländliche Raum, aber auch die Städte in der zweiten Reihe und manchmal sogar die Vororte von Metropolen, mehr Gemeinsamkeiten miteinander als mit der Metropole selbst. In diesem Sinne kann man zwischen Coworking Spaces in zentralen Lagen einer Großstadt und allen anderen Coworking Spaces unterscheiden. Letztere kann man vielleicht am besten unter dem Begriff ›Rural Coworking‹, auch wenn dieser auf den ersten Blick irritiert, zusammenfassen und besprechen.
Der Begriff ›Rural Coworking‹ ist vom englischen Wort ›Rural‹, was ›ländlich‹ bedeutet, abgeleitet. Es gibt ihn übrigens auch im Deutschen, man kann also beispielsweise über die wunderschöne Altmark im Norden von Sachsen-Anhalt auch sagen: »Diese rurale Gegend ist angenehm ruhig«.
In unserem Sprachgebrauch ist der Begriff noch nicht sehr verfestigt. Auch Bezeichnungen wie ›Regionales Coworking‹ oder ›Dezentrales Coworking‹, vor allem in der Schweiz, finden immer wieder Anwendung, wenn das Thema behandelt wird. Ich finde ihn aber besser geeignet für die Verwendung, da er auch als Hashtag und durch seine Zweisprachigkeit auch als verbindender Begriff von Diskussionen zu dem Thema im englischen und im deutschen Sprachraum funktioniert. Ich werde also ab jetzt ›Rural Coworking‹ als eine Art Sammelbegriff für sämtliche Initiativen zum Thema Coworking im ländlichen Raum und den Peripherien von Großstädten nutzen.
Worum geht es aber im Kern von ›Rural Coworking‹? Charakteristisch für ›Rural Coworking‹ ist stets ein Coworking-Angebot, das sich meist dadurch auszeichnet, wirtschaftlich nur selten tragfähig zu sein und deshalb oft in Kombination mit einem anderen Geschäftsmodell oder als Pfeiler eines lokalen Ökosystems, für welches es aufgrund von Sekundäreffekten relevant ist, organisiert wird. Dies kann bspw. ein Dorfladen, ein Gemeinschaftsbüro im Rathaus für Pendler:innen oder ein hotelähnliches Workation-Retreat sein.
Retreat meint einen Rückzug, Workation ist eine Wortschöpfung aus den beiden englischen Begriffen ›Work‹, also Arbeit, und ›Vacation‹, dem englischen Wort für Urlaub. Damit ist ein neues Arbeitsmodell gemeint, bei dem Menschen ihre Arbeit mobil von unterwegs erledigen und deshalb vor allem Reiseziele als temporäre Arbeitsorte auswählen. Anschauliche Beispiele dafür sind unter anderem das ›Gut Pohnstorf‹ in der Mecklenburgischen Schweiz, das ›Coconat‹ im Fläming oder das ›Kühlhaus‹ in Görlitz-Weinhübel. Nur drei kleine Tipps für ihre Urlaubsplanung im Sommer.
Geschäftsmodell
Warum ist Coworking im ländlichen Raum aber nur selten wirtschaftlich tragbar und was sind die Sekundäreffekte, die es dann doch wiederum gefragt machen? Ein Hauptgrund ist, dass Coworking auch heutzutage eine sehr unbekannte Arbeitsform darstellt. Wie unbekannt, lässt sich kaum in Zahlen ausdrücken. Ich versuche es Ihnen aber an einem Beispiel zu vermitteln.
Vor der Corona-Krise lag der Anteil von Büroflächen, die Menschen oder auch Unternehmen sich teilten — damit sind also neben Coworking Spaces auch klassische Bürogemeinschaften und riesige Business-Center-Ketten gemeint –, gerade einmal bei etwas mehr als zwei Prozent aller Büroflächen in Berlin. Selbst in Metropolen wie New York City, San Francisco oder London lag der Anteil am gesamten Büroimmobilienmarkt bei nur vier bis neun Prozent.
Grob formuliert, der Anteil von Coworking Spaces an Orten der Arbeit, die man sich teilt, ist irgendwo im Promillebereich zu verorten. Quasi niemand kennt Coworking und damit auch keine Coworking Spaces. Und wenn diese Aussage an sich auch schon auf Berlin zutrifft, dann überlegen Sie bitte einmal, wie wahr sie in der Lausitz, der Prignitz oder der Altmark sein muss.
Ländliche Coworking Spaces bedienen bisher nur eine geringe Nachfrage. Ganz einfach deshalb, weil kaum jemand weiß, dass es Coworking gibt und wie ein Coworking Space einem nutzen kann. Wir haben in Deutschland noch sehr klassische Vorstellungen von Arbeit und die beinhalten, dass Arbeit ausschließlich an einem vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsplatz erledigt werden kann. Dies trifft aber in unserer heutigen Dienstleistungsgesellschaft auf die Mehrheit der Angestellten gar nicht mehr zu, wie ich später belege.
Aufgrund der geringen Nachfrage gründen die meisten Betreiber:innen von Coworking Spaces in ländlichen Regionen nur sehr kleine Coworking Spaces. Sie begrenzen das Risiko, was wiederum das Umsatzpotenzial verkleinert. Wenn ich nur Platz für zehn Arbeitsplätze habe und einer kostet 100 Euro im Monat, dann werde ich selbst bei einer hundertprozentigen Auslastung nie mehr als 1.000 Euro einnehmen. Davon kann man sicherlich die Miete bezahlen, aber kaum sich selbst auch noch ein angemessenes Gehalt.
Selbst urbane Coworking Spaces erzielen durch einzelne Mitgliedschaften vergleichsweise nur wenig Umsatz. Am profitabelsten sind für sie exklusive Räume, die Teams monatsweise als eine Art Büroersatz buchen, oder die externe Kunden stunden- oder tageweise als Besprechungs- und Meetingräume buchen. Für beides gibt es eine hohe Nachfrage in den Großstädten. Statt für ein neues Projekt oder eine Startup-Idee gleich ein eigenes Büro für mindestens fünf Jahr anmieten und einrichten zu müssen, bucht man liebt einen voll ausgestatteten Teamraum in einem Coworking Space, den man auch noch monatlich oder quartalsweise kündigen kann.
Damit haben urbane Coworking Spaces bis zu 90 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaftet. So erfolgreich sie aber damit vor der Corona-Krise waren, um so härter traf sie genau der Wegbruch dieser Einnahmequellen, vor allem die fehlenden Buchungen von Event- und Meetingräumen, während weiterhin hohe Mieten gezahlt werden mussten. Nur ein Grund, warum kleinere Coworking Spaces, vor allem im ländlichen und suburbanen Raum, besser durch die pandemische Krise kommen als die großen Coworking Spaces in den Großstädten. Was einst ihre Stärke war, ist nun ihre Achillesverse.
Sekundäreffekte
Die Einnahmen eines Coworking Spaces im ländlichen Raum fallen, im Gegensatz zu denen in der Großstadt, geringer aus. Nur wenig Teams wollen sich dort ein Raum buchen, selten werden Besprechungen dort abgehalten. Den meisten Umsatz erzielen ländliche Coworking Spaces durch die Beiträge einzelner Mitglieder. Doch die sind noch überschaubar, wie bereits begründet.
Oft werden durch andere Geschäftsmodelle, an denen das Angebot zum gemeinsamen Arbeiten angeschlossen ist, eine stabile wirtschaftliche Lage erreicht. Dies kann beispielsweise ein Landhotel sein, das sich durch ein Coworking-Angebot eine neue Zielgruppe erschließen möchte. Diesen Schritt wagte das Hotel ›Bornmühle‹ am Tollensesee, nachdem das letzte Hotel für Geschäftskunden im nahegelegenen Neubrandenburg schließen musste.
Auf über 600 Quadratmetern wurde vor zwei Jahren ein New-Work-Refugium geschaffen, zu dem auch ein Coworking Space gehört. Kerngeschäft bleiben also die Übernachtungen. Damit wird — Corona einmal außen vorgelassen — der Umsatz erzielt. Durch die neue Flächen kommen nun aber ganz gezielt Geschäftskunden, Digitalnomaden und Teams aus Unternehmen und Startups zum Arbeiten hierher. Denn erst das passende Angebot schafft die Nachfrage.
Doch ein Coworking Space im ländlichen Raum kann auch, abseits als eine Erweiterung eines bestehenden Geschäftsmodells, für Unternehmen und Kommunen interessant sein. Indem es Menschen vor Ort die Option gibt, für die Arbeit nicht immer ins Büro in der Großstadt fahren zu müssen, sind die Menschen auch tagsüber vor Ort und nicht nur abends oder am Wochenende.
Dies stärkt auch die lokale Wirtschaft. Die Menschen kaufen dann wieder in den Geschäften am Marktplatz ein, gehen zum Mittagessen ins Wirtshaus oder holen sich nachmittags einen Kaffee und ein Stück Kuchen beim Bäcker. Laut der Global Coworking Survey von 2019 geben Mitglieder eines Coworking Spaces in Deutschland durchschnittlich 11 Euro pro Tag im Umfeld des Coworking Spaces aus. Von einem Coworking Space profitieren also alle.
Weniger Pendelverkehr hat aber auch noch andere Vorteile: die Innenstädte der Metropolen werden entlastet, die Verkehrsmittel sind nicht mehr überfüllt, es schont die Infrastruktur und ist auch gesünder für die Menschen, denn sie sind weniger gestresst. Unternehmen bekommen also gesündere Angestellte, die ihre Arbeitszeit effektiver nutzen und die kürzeren Wege in ihrem sozialen Umfeld und nahe bei ihren Familien sein zu können, zu schätzen wissen. Satellitenbüros von großen Unternehmen in den Vororten und der Peripherie sind nicht neu, aber in Deutschland bisher kaum verbreitet. Seit der Corona-Krise wird diese Option aber auch hierzulande intensiv diskutiert.
Im April 2016 wurde die Schweizer Coworking-Genossenschaft ›VillageOffice‹ UNO-Projektpartner, da sie mit Coworking-Angeboten auf dem Land wesentliche Ziele der UN-Nachhaltigkeitsagenda 2030 unterstützen. Das waren unter anderem die Senkung der CO2-Emissionen und der Anzahl der Verkehrstoten durch eine Vermeidung des Pendelverkehrs. Sie sehen, es gibt die verschiedensten Sichtweisen darauf, wie Coworking Spaces wirken.
Ein ›Rural Coworking‹-Projekt wirkt also oft in andere gesellschaftliche und politische Bereiche der Grunddaseinsfunktionen hinein, wobei das Coworking-Angebot eine wichtige, aber niemals die einzige Rolle spielt. Es wird deshalb auch als ein Instrument mit dem Ziel geschaffen, innovatives, nachhaltiges und vernetztes Denken und Handeln im Ort zu etablieren. In so einem Fall steht der wirtschaftliche Erfolg des Coworking-Angebots sowieso nicht im Vordergrund. Es geht mehr um die vorgestellten Sekundäreffekte.
Homeoffice
Diese Sekundäreffekte waren auch schon vor der Corona-Krise gefragt, doch hat sich seitdem eines geändert. Noch nie zuvor haben so viel Angestellten auch einmal von ihrem Zuhause aus gearbeitet. Vor der Pandemie war Homeoffice eher die Ausnahme in der deutschen Arbeitswelt. Lediglich 3 Prozent der Berufstätigen, rund 1,4 Millionen Menschen, arbeiteten ausschließlich im Homeoffice. Weitere 15 Prozent, rund 6,3 Millionen Menschen, zumindest teilweise. Die Entwicklung mobil zu arbeiten ist nicht neu, die Pandemie hat diese nur, wie in vielen Bereichen, beschleunigt.
Ende 2020 arbeiteten laut einer repräsentativen Bitkom-Studie jeder vierte Angestellte ausschließlich im Homeoffice. Das entspricht 10,5 Millionen Berufstätigen. Weitere 20 Prozent, rund 8,3 Millionen Menschen, arbeiteten zumindest teilweise im Homeoffice. Schon jetzt sind das also 45 Prozent der Angestellten in Deutschland dazu in der Lage, auch von woanders zu arbeiten. Ein enormer Erkenntnisgewinn im Vergleich zu vor der Corona-Krise.
Nach Bitkom-Berechnungen wird mehr als jeder Dritte (35 Prozent) den Arbeitsort zukünftig flexibel wählen. Das entspricht 14,7 Millionen Berufstätigen. 3,2 Millionen (8 Prozent) werden ausschließlich im Homeoffice arbeiten und weitere 11,5 Millionen (27 Prozent) teilweise. Zusammen also bis zu 70 Prozent aller berufstätigen Menschen in Deutschland. Und dieses Potenzial gab es bisher nicht. Dies ändert womöglich einfach alles.
Das Homeoffice ist aber nicht für jeden der geeignetste Ort, um zu arbeiten. Auch dies haben viele Menschen, durch den zuletzt beobachtbaren Zwang von Zuhause aus arbeiten zu müssen, festgestellt. Manche können sich dort nicht konzentrieren, unabhängig von zu betreuenden Kindern, denn vielleicht ist der Abwasch oder die Schmutzwäsche noch unerledigt. Andere fühlen sich dort isoliert, ihnen fehlen soziale Kontakte zu anderen Menschen. Wiederum andere schaffen es nicht, zu Hause auch einmal Feierabend zu machen, denn sie brauchen die räumliche Trennung von Privatem und Beruflichem.
Ob jemand im Homeoffice gut arbeiten kann, hat etwas mit der individuellen Wahrnehmung der Person zu tun und ihrer Wohnsituation, wie eine repräsentative Studie der TU Darmstadt mit 953 Bürobeschäftigten herausgefunden hat. Je zufriedener Befragungsteilnehmer:innen mit ihrer Wohnsituation, der Lage und der Ausstattung der Wohnung waren, desto zufriedener und produktiver waren sie im Homeoffice.
Und Wohnraum wird in Deutschland ein immer knapper werdendes Gut. Laut dem Statistischen Bundesamt lebten 2019 rund 6,4 Millionen Menschen in Deutschland in überbelegten Wohnungen. Jede achte Person in Deutschland, rund 12,7 Prozent der Gesamtbevölkerung, wohnte 2019 auf zu engem Raum. Im Vergleich zu 2010 ein Zuwachs von rund 3 Prozentpunkten. Auch in Kleinstädten und Vororten wird der Wohnraum knapper. Für ein angemessen ausgestattetes Homeoffice ist meist kein Platz mehr da.
Wenn also zukünftig bis zu 70 Prozent der Angestellten regelmäßig mobil arbeiten, wird dies nicht immer von Zuhause aus gehen. Und dies aus unterschiedlichen Gründen. Hier können Alternativen, wie Satellitenbüros von Unternehmen in den Vorstädten, Coworking Spaces im ländlichen Bereich und auch fürs mobile Arbeiten geeignete Bibliotheken den Menschen wirklich eine große Hilfe sein. Für die Menschen, aber auch für die Kommunen.
Erkenntnis
All das stimmte auch schon vor der Corona-Krise. Nur jetzt gibt eine nie gekannte Aufmerksamkeit für alternative Konzepte wie ›Rural Coworking‹. Die Menschen haben gemerkt, dass sie nicht jeden Tag ins Büro fahren müssen, sondern auch von woanders aus arbeiten können. Sie haben auch bemerkt, dass Treffen mit anderen Menschen wichtig sind und es gute Gründe gibt, sich mit Kolleg:innen zu treffen, sowie dass ihr eigenes Zuhause kein Ersatz für das Büro ist. In Zukunft wird es einen Mix an Arbeitsorten brauchen und eine Handlungsfreiheit, selber entscheiden zu können, wann man von wo arbeitet. Diese neue Ebene an Erkenntnis, die die Menschen erlangt haben, ist die Grundlage, auf der Lösungen für eine neue Arbeitswelt aufbauen.
Verabschiedung
Ganz schön viele Fakten und Zahlen, aber ich dachte, für meine erste DigitaleProvinz-Podcastfolge wäre ein Überblick zum aktuellen Stand der Entwicklung mobilen Arbeitens in Deutschland ganz passend.
Ich hoffe, dass Ihnen diese Premierenfolge gefallen hat. Ab jetzt nehme ich Sie an dieser Stelle einmal im Quartal mit auf die Reise durch die hiesige Coworking-Szene. Darauf freue ich mich schon sehr.
Wenn Sie Fragen oder Feedback haben, schreiben Sie mir gerne über meine Kanäle oder direkt an das Portal ›Digitale Provinz‹. Und wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, empfehlen Sie sie weiter und lassen Sie ein Like da.
Bis denn, dann… Ihr Tobias Kremkau.