Es fehlt die Ostperspektive
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Die bündnisgrüne Bundestagsfraktion scheint den Schuss im (ostdeutschen) Wald nicht gehört zu haben. Zwar lässt sich unzweifelhaft diskutieren, ob Katrin Göring-Eckardt wirklich eine vierte Amtszeit als Bundestagsvizepräsidentin verdient hätte, doch ein eindeutiges Signal innerhalb der Partei und der breiten Öffentlichkeit hätte zweifelsohne die Wahl einer Person aus einem der ostdeutschen Landesverbände gesetzt – beispielsweise Steffi Lemke.
Stattdessen fiel die Wahl auf Omid Nouripour, den ehemaligen Bundesvorsitzenden aus Hessen, der erst nach den katastrophalen Wahlergebnissen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im vergangenen Jahr von seinem Posten zurücktrat. Was rechtfertigt seine erneute Kandidatur, und welche Argumente liefert die Bundestagsfraktion für diese Entscheidung? Es scheint, als fehle es an einem grundlegenden Verständnis für die schwierige Lage unserer Partei in Ostdeutschland.
Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern im kommenden Jahr stellt sich die dringliche Frage: Wo sind die ostdeutschen Führungspersönlichkeiten innerhalb unserer Partei geblieben? Der erste Namensteil von „Bündnis 90/Die Grünen“ war einst untrennbar mit der ostdeutschen Geschichte und Identität unserer Bewegung verknüpft – doch auf den Spitzenposten der Partei und in der Bundestagsfraktion ist davon kaum noch etwas zu erkennen. Die Ankündigung von Fraktionsvorsitzender Katharina Dröge, für den künftigen Fraktionsvorstand und bei den Sprecher*innen-Posten ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen, wirkt eher wie ein schwaches Trostpflaster als eine echte Veränderung der Machtstrukturen.
In bereits zwei ostdeutschen Landtagen haben wir unseren Platz verloren. Sollte sich nichts ändern, könnte es in nur anderthalb Jahren der Großteil der ostdeutschen Landtage sein. Es ist daher höchste Zeit, die Stimmen aus Ostdeutschland wieder stärker in die Entscheidungsprozesse der Partei einzubinden. Eine klare, zielgerichtete Förderung ostdeutscher Perspektiven auf allen Ebenen – von der Basis bis zu den Spitzenposten – ist unerlässlich, wenn wir als Partei langfristig in Ostdeutschland wieder erfolgreich sein wollen.
Dabei geht es nicht nur um Nominierungen, sondern auch um eine verstärkte Präsenz in den Regionen und eine umfassende Diskussion über die spezifischen Herausforderungen und Chancen, die in Ostdeutschland bestehen. Nur so können wir eine Politik gestalten, die die gesamte Bundesrepublik abbildet und uns ostdeutschen Mitgliedern wieder das Gefühl vermittelt, dass unsere Anliegen innerhalb der bündnisgrünen Partei gehört und verstanden werden.