Kremkaus Blog

Ein Blog von Tobias Kremkau.

Heute bin ich mit sofortiger Wirkung von meiner Funktion als Beisitzer im Landesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt zurückgetreten. Dieser Schritt erfolgt nach einem sehr bewussten Abwägungsprozess. Jetzt, im Anschluss an den Landesparteitag, scheint mir der richtige Zeitpunkt dafür gekommen zu sein.

Meine Entscheidung beruht auf einer Mischung aus sachlichen und persönlichen Gründen. Es gibt keinen einzelnen Auslöser – vielmehr ist es die Summe vieler Überlegungen, die mich zu diesem Entschluss geführt hat.

Als ich im Mai für den Landesvorsitz kandidierte, habe ich deutlich gemacht, dass es mir vor allem um den Zustand unserer Partei geht und darum, wie wir ihn gemeinsam verbessern können. Gleichzeitig wurde mir, dann als Beisitzer im erweiterten Landesvorstand, klar signalisiert, dass dieses Thema im anstehenden Landtagswahlkampf keine Rolle spielen wird. Das ist nachvollziehbar – und dennoch merke ich, dass ich mich mit dieser Haltung zunehmend schwertue. 

Hinzu kommt das Miteinander im jetzigen Landesvorstand. Immer wieder – und viel zu oft in nur fünf Monaten – hatte ich Zweifel, ob ich dort einen konstruktiven Beitrag als Beisitzer leisten kann. Woche für Woche entstand bei mir das Gefühl, eher Teil eines Problems zu sein als Teil einer Lösung. Das tat mir nicht gut und beeinflusste mein Engagement. Die Verantwortung, dieses Gefühl zu verändern, liegt allerdings auch bei mir selbst – und genau deshalb ziehe ich nun meine Konsequenzen.

Um es klar zu sagen: Ich fremdle mit meiner Rolle im aktuellen Landesvorstand, nicht mit unserer Partei. Mein politischer Schwerpunkt bleibt daher weiterhin die Organisation unseres Wahlkampfs in der Altmark. Dieses Versprechen habe ich meinem Kreisverband gegeben, und dazu stehe ich mit voller Überzeugung. Gleichzeitig möchte ich mehr Zeit für meine Familie gewinnen – ein Bedürfnis, das in den vergangenen Monaten mit jeder einzelnen Landesvorstandssitzung gewachsen ist.

Ich gehe diesen Schritt ohne Groll, aber mit persönlicher Klarheit. Für den derzeitigen Landesvorstand kann ich momentan keine sinnvolle Unterstützung leisten. Ich hoffe, dass mein Rücktritt Raum schafft: für eine bessere Passung, für neue Impulse und für konstruktive Weiterentwicklung.

Ich bedanke mich für das Vertrauen, das mir aus der Partei heraus entgegengebracht wurde – und bei allen, die mir in den vergangenen Monaten den Rücken gestärkt haben. Das war leider öfter nötig, als es sein sollte, aber jedes Gespräch hat gutgetan. Danke.

Ich habe Instagram erneut hinter mir gelassen. Mit meinem wachsenden Engagement für meinen bündnisgrünen Kreisverband in den vergangenen drei Jahren entstand in mir der Eindruck, auch dort präsent sein zu müssen – als Teil der politischen Logik, dass Sichtbarkeit gleichbedeutend mit Wirksamkeit sei. Doch dieser Gedanke war ein Irrtum.

In meiner digitalen Kommunikation möchte ich meinen eigenen Werten treu bleiben – einer Haltung, die auf Unabhängigkeit, Klarheit, Transparenz und der Freiheit von unnötigen Aufmerksamkeits- und Plattformlogiken beruht. Instagram ist für mich kein Ort, an dem ich das mit gutem Gewissen tun kann. Deshalb ist es nur konsequent, die Plattform (wieder) zu verlassen.

Bis zum Ende meiner bündnisgrünen Vorstandsämter im Herbst 2026 – dann ist auch damit Schlusss – werde ich auf Facebook noch ein Profil behalten müssen, um dort die entsprechenden Seiten zu verwalten. Privat aber werde ich mich nach der Landtagswahl auch von dort zurückziehen.

Wer mir weiterhin im Digitalen folgen möchte, findet mich aus Mastodon – oder auf meinem Blog, sofern ich dort künftig wieder mehr zum Schreiben komme. Und ansonsten: sehr gern bei einem Kaffee.

Heute hatte ich die Freude, mich mit Pauline Leonard über das irische Connected-Hubs-Programm auszutauschen – ein inspirierendes Gespräch über Coworking, Netzwerke und strategische Ansätze, das nicht nur überraschend viele Parallelen offenbarte, sondern auch eindrucksvoll zeigte, wie viel wir voneinander lernen können!

Das Programm ist eine ambitionierte Regierungsinitiative, mit der Irland ein landesweites Netzwerk gemeinschaftlich genutzter Arbeits- und Innovationsorte in ländlichen Regionen etabliert. Es nutzt die Chancen digitalen und mobilen Arbeitens gezielt, um die Regionalentwicklung zu stärken und neue wirtschaftliche Impulse auf dem Land zu setzen. Unter der Marke Connected Hubs wurden inzwischen genau 400 Arbeits- und Coworking-Standorte miteinander vernetzt.

Connected-Hubs demonstriert, wie staatliche Rahmensetzung Sichtbarkeit, Professionalisierung und Vernetzung erheblich stärken kann, und wie solche Hubs zu Motoren regionaler Entwicklung werden, wenn sie als Teil der lokalen Daseinsvorsorge begriffen werden. Es zeigt, wie Arbeitsorte zu vitalen Zentren des Austauschs, der Innovation und des sozialen Lebens in ländlichen Räumen werden können – ganz im Sinne dessen, was wir bei CoWorkLand mit unserem MehrWertOrte-Konzept anstreben.

Ich war heute Abend bei der Lesung von Ilko-Sascha Kowalczuk und Bodo Ramelow in der Magdeburger Pauluskirche – ein wirklich schöner Ort. In ihrem gemeinsamen Buch »Die neue Mauer« richten beide den Blick auf den Osten, den Westen und die Gefährdungen unserer liberalen Demokratie.

Neben vielen Aspekten zur Nachwendezeit und den aktuellen Herausforderungen ging es zur Abwechslung auch einmal um einen für uns Ostdeutsche wirklich zentralen Punkt: Wir leben in einer Parteiendemokratie – doch zugleich fehlt es eklatant an Bindung und Engagement in den Parteien. Das ist ein ernstzunehmendes Problem.

Mich irritiert immer wieder, dass eine Parteimitgliedschaft so häufig als Aufgabe der eigenen Meinung dargestellt wird, wie es auch heute Abend im Publikum anklingte. Das ist schlicht falsch. Parteien werden von unten gestaltet. Natürlich ist das nicht immer einfach: Auch in Parteien gibt es Menschen, die lieber allein und nicht basisdemokratisch entscheiden möchten. Aber Parteien sind Demokratie im Kleinen – und sie sind veränderbar. Von unten, gemeinsam.

Dort, wo es ehrlicherweise schon lange keine Brandmauer gegen die rechtsextreme AfD gibt – in der ostdeutschen Kommunalpolitik –, geschieht derzeit etwas Bemerkenswertes: Die AfD verliert. Und zwar deutlich – Wahl für Wahl.

In Frankfurt (Oder), Eisenhüttenstadt, Oranienburg, Bad Freienwalde und Wriezen, in Wolmirstedt, Petersberg, der Hansestadt Osterburg oder auch in Meißen – die Liste der Niederlagen bei Bürgermeister*innenwahlen wird immer länger.

Warum das wichtig ist? Weil es zeigt, dass nichts unverrückbar ist. Auch wenn die aktuellen Umfragen, etwa bei uns in Sachsen-Anhalt, beunruhigend wirken – ein Jahr vor der Landtagswahl ist noch längst nichts entschieden. Gewählt wird am 6. September 2026, und bis dahin können wir viel bewegen.

Diese Wahlergebnisse machen Mut. Sie zeigen, dass es funktionierende Strategien gegen Rechts gibt: manchmal sind es überzeugende Persönlichkeiten, manchmal Themen, die die Menschen jenseits von Migration wirklich bewegen. Entscheidend bleibt jedoch, nicht mit den AfD-Faschos zu kooperieren.

Darüber müssen wir sprechen – laut, zuversichtlich und selbstbewusst. Denn während überregionale Medien lieber mit Schreckensmeldungen Klicks generieren, bleibt die positive Entwicklung vielerorts unerzählt: Die AfD verliert an Boden. Und das ist eine gute Nachricht für die Demokratie.

Gleichzeitig sollten wir verstehen, dass Kommunalpolitik anders funktioniert als Landespolitik. Auf Landesebene geht es nicht nur um lokale Anliegen, sondern um Lösungen für komplexere gesellschaftliche Herausforderungen. Hier zählen Diskurs, Ausgleich und Kompromiss – die Grundpfeiler einer lebendigen Demokratie.

Am Ende geht es nicht um eine Wahl zwischen zwei Personen für ein Amt, sondern um die Entscheidung zwischen unterschiedlichen Ideen für die Zukunft: progressiv, sozial, ökologisch, konservativ. Diese Vielfalt ist unsere Stärke – und der beste Beweis dafür, dass Demokratie wirkt.

Vor Kurzem habe ich wieder ein verwaistes Großfeldschach entdeckt – diesmal im Zentrum von Dessau. Zuvor in Köthen (Anhalt), davor in Eisenhüttenstadt: sorgfältig angelegte Felder, doch nirgends Figuren, nirgends ein Spiel.

Anders meine Beobachtungen im hessischen Kurort Bad Sooden-Allendorf, in den Metropolen Hamburg und München: Neben dem Schachfeld stand jeweils eine Kiste mit Figuren – oft unverschlossen. Manchmal saßen tatsächlich Menschen beisammen und spielten. Warum klappt es dort – und hier nicht?

Die naheliegende Antwort, die ich in einem der Orte hörte: Vandalismus. Die Menschen – im Osten™ – wüssten solche Angebote nicht zu schätzen. Ich bin skeptisch. Solche Erklärungen sind bequem, aber sie erklären wenig. Und sie übersehen, dass wir genau solche Orte der Begegnung bräuchten.

Zwei Tage später, beim Spaziergang durch Dresden, fiel mir eine alternative Lesart ein: Auf einem Spielplatz entdeckte ich eine Kiste mit gemeinsam genutztem Sandspielzeug. Am nächsten Tag sah ich auf einem anderen Spielplatz dasselbe Prinzip. Offenbar kann gemeinschaftlich genutztes Material im öffentlichen Raum funktionieren – in Großstädten ebenso wie auf dem Land (etwa in Borstel bei Stendal).

Meine Arbeitsthese: Nicht „die Menschen“ sind das Problem, sondern die Rahmenbedingungen. In vielen Klein- und Mittelstädten ist der erlebte Infrastrukturverlust der letzten Jahrzehnte besonders spürbar: weniger Personal für Pflege und Aufsicht, weniger Vereine und zivilgesellschaftliche Träger*innen, weniger informelle „Kümmerer*innen“, geringere Frequenz im öffentlichen Raum. Wo Aktivierung, Patenschaft und soziale Kontrolle fehlen, bleiben Kisten leer – oder verschwinden.

Wenn man all das zusammennimmt, wird aus der moralischen Frage („Warum zerstören Menschen so etwas?“) eine Gestaltungsfrage: Wie schaffen wir Bedingungen, in denen Verantwortungsübernahme naheliegt? Statt mit dem Verweis auf Vandalismus zu enden, sollten wir die Instandhaltung sozial organisieren: Patenschaften vergeben, Schaukasten mit Figuren anbringen, regelmäßige „Offene Schachstunden“ mit Verein oder Quartiersmanagement ansetzen, die Kiste klar kennzeichnen – und die Anlage dorthin verlegen, wo sie gesehen und genutzt wird.

Vielleicht ist das Großfeldschach dann nicht länger Symbol eines erschöpften öffentlichen Raums, sondern wieder ein Ort, an dem Menschen einander begegnen – Zug um Zug.

Am Samstag hat sich der neu gewählte Landesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt konstituiert – und ich darf nach meiner Wahl auf dem 52. Landesparteitag nun als Beisitzer mitarbeiten. Es ist ein gutes Gefühl, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für den eigenen Kreisverband, sondern für unsere Partei im ganzen Bundesland.

Und wir haben gleich losgelegt: Neben organisatorischen Fragen – ich betreue zukünftig die Kreisverbände Altmark, Wittenberg und Magdeburg, sowie drei Landesarbeitsgemeinschaften – haben wir unsere erste politische Entscheidung getroffen. Wir wollen zur Landtagswahl 2026 in jedem der 41 Wahlkreise in Sachsen-Anhalt eine*n bündnisgrüne*n Direktkandidat*in aufstellen. 

Warum? Weil es uns sichtbar macht.

Zur nächsten Landtagswahl am 6. September 2026 wird es 41 Wahlkreise geben – das regelt die neue Wahlkreiseinteilung vom Februar 2025. Das heißt für uns: 41 Menschen finden, die bereit sind, für uns zu kandidieren, sichtbar zu sein, Wahlkampf zu machen, obwohl die Chancen, dass eine*r von ihnen ein Direktmandat gewinnt nahezu ausgeschlossen sind. Aber darum geht es nicht.

Direktkandidaturen sind kein Selbstzweck. Sie sind ein Signal. An unsere Mitglieder, an unsere Wähler*innen und an die politische Öffentlichkeit. Und wir haben es bei der letzten Landtagswahl fast geschafft, überall anzutreten – nur zwei Wahlkreise waren „blank“. Seitdem sind wir über 1.700 Mitglieder im Land. Das sind 400 mehr als 2021. Rein rechnerisch sollte es also möglich sein.

Aber ich weiß auch: Gerade in ländlichen Räumen ist das keine leichte Aufgabe. Als Vorsitzender eines Kreisverbands, der fünf Wahlkreise umfasst – zwei davon überschneiden sich mit anderen Kreisverbänden – erlebe ich hautnah, wie begrenzt unsere personellen und zeitlichen Ressourcen sind. Umso klarer ist für mich: Der Landesvorstand darf dabei nicht nur beobachten, sondern muss aktiv unterstützen.

Ein flächendeckender Antritt zur Landtagswahl gelingt nicht von allein. Er braucht einen Landesvorstand, der motiviert, begleitet und vernetzt – und der das Vertrauen in die Stärke der Basis sichtbar macht. Besonders in strukturschwachen Regionen braucht es Mut zur Kandidatur und eine Kultur der Ermutigung. Genau hier kann der Landesvorstand entscheidend wirken: durch persönliche Ansprache, durch transparente Prozesse, durch Qualifizierung und durch gelebte Anerkennung.

Denn wer kandidiert, übernimmt Verantwortung – und verdient dafür politischen Rückenwind und persönliche Wertschätzung. Nur wenn Menschen vor Ort Gesicht zeigen, wird bündnisgrüne Politik sichtbar, wählbar und wirksam.

Was bringt das überhaupt?

Formal entscheidet nur die Zweitstimme über die Zusammensetzung des Landtags. Die Erststimme – und damit die Direktkandidatur – hat keinen direkten Einfluss auf die Verteilung der Sitze.

Aber: Politikwissenschaftliche Studien zeigen, dass in Wahlkreisen ohne Direktkandidat*in die Zweitstimmenzahlen leicht zurückgehen. Nicht dramatisch – meist unter einem Prozentpunkt –, aber spürbar. Und genau dieser kleine Unterschied kann für unsere Partei entscheidend sein.

Denn wir kämpfen um die Fünf-Prozent-Hürde und momentan liegen wir in Umfragen darunter. Jede Stimme zählt. Jede Sichtbarkeit zählt. Jede Direktkandidatur zählt. Es geht für uns um die Stelle vor und hinter dem Komma, wenn wir wieder mit einer Fraktion in den Landtag einziehen möchten.

Neben dem Stimmenaspekt gibt es noch einen zweiten, strategisch wichtigen Grund: Präsenz in der Fläche. Wenn Menschen bei sich vor Ort ein bündnisgrünes Gesicht auf dem Wahlplakat sehen, in der Kaufhalle treffen oder beim Podium erleben, dann entsteht politische Relevanz.

Das gibt nicht nur unseren Mitgliedern Rückhalt – vor allem in Orten, wo sie allein für uns stehen –, sondern stärkt auch die demokratische Kultur. Denn echte Wahl bedeutet Auswahl.

Was jetzt zählt

Wir haben ein Ziel: 41 Direktkandidat*innen für 41 Wahlkreise. Es ist ambitioniert. Aber es ist machbar. Und vor allem: Es ist richtig.

Ich freue mich auf die kommenden Monate – auf Gespräche, Motivation, gemeinsame Suche, Unterstützung. Und auf einen Wahlkampf, in dem wir als Partei zeigen, dass wir überall in Sachsen-Anhalt präsent sind.

Denn Demokratie lebt davon, dass wir antreten. Auch wenn wir nicht direkt gewinnen.

Bild: Francesco Luca Labianca, via Unsplash

Im Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt haben sich der Landrat, der Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg sowie die Bürgermeisterin und die Bürgermeister des Landkreises gemeinsam darauf verständigt, ab dem heutigen Tag des Grundgesetzes an allen öffentlichen Gebäuden, wo es technisch möglich ist, dauerhaft die deutsche Flagge zu hissen.

Die Entscheidung fällt nicht im luftleeren Raum – sie folgt auf mehrere Anträge von kommunalen AfD-Fraktionen in Sachsen-Anhalt, die eben genau diese dauerhafte Beflaggung fordern.

Man kann dieses Vorgehen unterschiedlich deuten: Als vorauseilenden Gehorsam gegenüber einer Partei, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird – oder als bewusste Eigeninitiative, die den AfD-Faschos den Wind aus den Segeln nehmen will. Denn in der Regel geht es der AfD bei solchen Anträgen nicht um Inhalte, sondern um die Wirkung – um Bilder, die hängen bleiben. Wie man persönlich dazu steht, mag verschieden sein. Aber eines ist klar: Nicht die Flagge ist unser Problem – sondern die AfD.

Als Bündnisgrüner begrüße ich grundsätzlich jedes klare Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Gerade in Zeiten, in denen autoritäre Kräfte erstarken und versuchen, staatliche Symbole für ihre Zwecke zu vereinnahmen, ist Haltung gefragt. Die Erklärung des Landkreises Wittenberg verweist ausdrücklich auf das Grundgesetz, auf die Menschenwürde, auf die Gleichwertigkeit aller Menschen. Das ist nicht nur richtig, es ist dringend notwendig.

Doch ich finde: Wir sollten als Demokrat*innen weiterdenken. Was heißt es eigentlich, Demokratie sichtbar zu machen? Reicht es aus, eine Flagge zu hissen – dauerhaft und gut sichtbar – um ein Zeichen zu setzen? Oder bleibt es am Ende ein symbolischer Akt, der mehr behauptet als bewirkt?

Natürlich haben Symbole ihre Bedeutung. Aber sie allein schaffen keine demokratische Kultur. Sie ersetzen keine politische Bildung. Sie stiften keine Orte des Austauschs. Sie ermöglichen keine echte Beteiligung. Gerade in ländlichen Regionen erleben wir, wie zentral erfahrbare Demokratie ist – im Alltag, in der Schule, im Ehrenamt, in der Verwaltung. Und wie schnell sie fragil wird, wenn sie dort fehlt.

Deshalb dürfen wir auch Entscheidungen wie die im Landkreis Wittenberg hinterfragen: Wird hier echte Verantwortung übernommen – oder politischer Druck abgefedert? Ist es einfacher, eine Flagge aufzuhängen, als sich ehrlich mit demokratischen Defiziten auseinanderzusetzen? Mit fehlender Teilhabe. Mit ungleichen Bildungschancen. Mit mangelnder Anerkennung von Vielfalt.

Was also tut der Landkreis – über das Hissen einer Flagge hinaus – für unsere Demokratie?

Wer Demokratie wirklich schützen will, muss mehr tun, als sie zu zeigen. Er oder sie muss sie gestalten – sozial gerecht, ökologisch verantwortlich, offen für alle Menschen. Das bedeutet: nicht nur zu verwalten, sondern Räume zu schaffen. Nicht nur auf Angriffe zu reagieren, sondern demokratische Prozesse zu stärken.

Meine Vision ist eine Demokratie, die nicht nur weht – sondern wirkt. Spürbar im Alltag. In fairer Verwaltung. In offenen Diskursen. In lernenden Schulen. In lebendigen Orten der Begegnung.

Denn eines ist sicher: Eine Flagge allein macht noch keinen demokratischen Staat. Aber eine lebendige Demokratie braucht Menschen, die sich kümmern – sichtbar und wirksam.

Beim 52. Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt am 17. Mai 2025 in Magdeburg habe ich mich für das Amt des Landesvorsitzenden beworben. Im Sinne einer offenen und transparenten Kommunikation stelle ich hier meine Bewerbungsrede zur Verfügung.

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich bin Tobias Kremkau, 40 Jahre alt, gebürtiger Magdeburger, Vater von zwei wunderbaren Kindern – und Kreisvorsitzender in der Altmark. Einer Region, in der Politik nicht auf Podien stattfindet, sondern am Stammtisch, im Dorfladen oder beim Elternabend. Wo es nicht um große Worte geht, sondern um Haltung im Kleinen. Und wo ich gelernt habe, Zukunft mit knappen Mitteln, aber viel Engagement zu gestalten.

Menschen hier fragen nicht: Was geht nicht? Sondern: Was können wir möglich machen? Und genau diese Haltung möchte ich als Landesvorsitzender einbringen: Mut zur Verantwortung, Lust auf Veränderung – und den festen Glauben daran, dass Politik dann wirkt, wenn wir sie gemeinsam machen.

Ich trete an, weil ich überzeugt bin: Unsere Partei muss mehr sein als Wahlkampf. Sie soll wieder das werden, was viele von uns hierhergeführt hat: eine politische Heimat. Für Menschen, die Haltung zeigen – in Quedlinburg wie in Jessen, vom Arendsee bis nach Zeitz.


Ich kandidiere auch, weil ich mir Sorgen mache. Um unsere Kreisverbände – besonders im ländlichen Raum. Mein eigener Kreisverband stand kurz vor der Auflösung: knapp 80 Mitglieder, aber niemand, der Verantwortung übernehmen wollte.

Als Doro, Christian Hauer und ich den Notvorstand übernahmen, war das ein Neuanfang – aber kein leichter. Zehn Monate lang war ich kommissarischer Schatzmeister ohne Zugriff aufs Konto – mitten im Wahlkampf. Es war, als würde ich Schach spielen, aber meine Figuren nicht bewegen dürfen.

Nur mit der Hilfe von John, meines Vorgängers Christian Franke-Langmach und Madeleine – der wir als Kreisverband unfassbar viel zu verdanken haben – blieben wir handlungsfähig. Und durch die Unterstützung von Nicole aus Halle fanden wir den Mut, weiterzumachen.

Heute stehen wir wieder zu dritt in einem ordentlichen Vorstand. Unser Kreisverband wächst. Neue Aktive kommen dazu. Das Gefühl ist zurück: Wir können hier etwas bewegen.


Diese Erfahrung hat mich geprägt. Und sie hat mir gezeigt: Es geht nicht nur um Inhalte – es geht um Strukturen.

Ich sehe in unseren Kreisverbänden kluge Köpfe, mutige Ideen, viel Einsatz – aber auch Erschöpfung. Wir denken unsere Partei oft von oben nach unten. Aber lebendig wird sie nur von unten nach oben. Die Arbeit vor Ort gibt uns erst Gesicht und Glaubwürdigkeit.

Was wir brauchen, ist eine Strategie, die unsere Kreisverbände stärkt – besonders im ländlichen Raum. Nicht nur punktuell zur Wahl, sondern dauerhaft: beim Aufbau von Geschäftsstellen, bei der Suche nach Engagierten, bei der Qualifizierung unserer Ehrenamtlichen.


Und wir müssen uns fragen: Wie heißen wir eigentlich Menschen willkommen, die mit uns sympathisieren, aber noch nicht Teil der Partei sind? Finden sie Anschluss – oder scheitern sie an Verfahren, Gremien, Erwartungen?

Ich glaube nicht, dass die Menschen politikverdrossen sind – sie fremdeln mit Parteien. Unsere Aufgabe ist es, Brücken zu bauen und Beteiligung zu ermöglichen. Nicht nur in Sitzungen, sondern auch im Dorfgemeinschaftshaus, im Coworking-Space oder auf dem Marktplatz.

Ich wünsche mir, dass wir uns wieder als das begreifen, was wir immer sein wollten: eine Bündnispartei. Vor Ort arbeiten wir mit demokratischen Partnern zusammen. In ländlichen Regionen oft mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, die Haltung zeigen. Wo wir so auftreten, sind wir glaubwürdig – und wirksam.


Lasst uns ein Landesverband sein, in dem solche Bündnisse entstehen können. Ein Verband, der Räume schafft für neue Ideen – ob im Harz, in der Börde oder im Burgenlandkreis. Denn Demokratie braucht Orte der Begegnung – und wir können genau so ein Ort sein.

Unsere Stärke liegt nicht im Einzelkampf, sondern im Zusammenspiel. Wir sind keine Solist*innen im Wahlkampf, sondern Möglichmacher*innen vor Ort.


Ja, wir müssen Wahlen gewinnen. Aber wer unsere Partei nur als Wahlkampfmaschine versteht, verkennt ihre Stärke als Ort der Gemeinschaft. Unsere Strukturen sind für Dauerwahlkampf nicht gemacht – sie sind überlastet und oft auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet.

Ich habe in den letzten Wochen viele Gespräche geführt. Immer wieder kam derselbe Zielkonflikt zur Sprache: zwischen dem berechtigten Fokus auf unsere Landtagsfraktion – und dem Zustand unserer Kreisverbände vor Ort.

Doch das darf kein Entweder-oder sein. Ohne Kreisverbände kein Wahlkampf. Ohne Fraktion keine Umsetzung unserer Ideen. Beides gehört zusammen – und wir brauchen beides.


Was wir aber nicht zulassen dürfen, ist dieses Gefühl: Die Basis wird nur gebraucht, wenn Plakate geklebt werden müssen. Unsere Partei ist mehr als ein Mandatsbeschaffer – sie ist Bewegung, Plattform, Gemeinschaft.

Genau das will ich stärken: Eine Parteiarbeit, die sich an Menschen orientiert – nicht an Wahlterminen. Die aufbaut statt nur abruft. Die trägt, statt Ehrenamtliche zu überfordern.

Deshalb: Lasst uns einen Wahlkampf führen, der verbindet statt spaltet. Weniger Angriffsmodus, mehr „Lasst uns das gemeinsam besser machen.“ Mit einer Sprache, die ehrlich, verständlich und nahbar ist – besonders in einem Land wie Sachsen-Anhalt, wo viele verunsichert sind und Vertrauen verloren haben.

Unsere Stärke liegt in der Vielfalt unserer Regionen – und genau dort müssen wir präsent sein – auf dem Wochenmarkt, bei Wanderungen, im Netz. Persönlich, ehrlich, nahbar. Und unterstützt von denen, die mit uns gehen: aus Zivilgesellschaft, Initiativen und Wirtschaft.

So zeigen wir: Zukunft beginnt hier – bei uns. Und sie entsteht gemeinsam. Gerecht. Dezentral. Demokratisch.

Ich wünsche mir, dass wir im Wahlkampf nicht nur Stimmen gewinnen – sondern Vertrauen. Durch unsere Haltung, unsere Themen und durch die Art, wie wir miteinander und mit den Menschen in unserem Land umgehen.


Ich bringe Erfahrung aus der Zivilgesellschaft, der Kommunalpolitik und aus Netzwerken mit, die ohne Parteilogik funktionieren – und oft gerade deshalb besser. Diese Perspektive will ich einbringen: nicht belehrend, sondern unterstützend. Nicht von oben herab, sondern gemeinsam. Nicht für ein eigenes Mandat – sondern für unsere Partei und die Menschen, die auf uns setzen.

Denn: Eine Partei, die sich selbst ernst nimmt, nimmt auch ihre Basis ernst.


Lasst uns gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen. Eines, in dem wir nicht nur reagieren, sondern gestalten. Nicht nur kämpfen, sondern aufbauen. Nicht nur verwalten, sondern verwandeln.

Ich bin bereit dafür.

Vielen Dank – für eure Aufmerksamkeit, für die Gespräche der letzten Wochen und für einen fairen Wettbewerb. Es war mir eine Freude. Und es wäre mir eine Ehre, euer Landesvorsitzender zu werden.


Nachtrag: Von den 94 abgegebenen Stimmen entfielen 28 auf mich, was einem Anteil von 29,79 Prozent entspricht. Mein Mitbewerber Dennis Helmich erhielt 63 Stimmen und damit 67,02 Prozent. Zwei Delegierte enthielten sich, ein weiteres Mitglied stimmte mit Nein.

Morgen ist Landesparteitag. Damit endet auch meine fast zweimonatige Bewerbung für den Landesvorsitz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt. Wie die Abstimmung ausgehen wird, weiß ich natürlich nicht – aber ich bin dankbar für viele offene Gespräche, ehrliches Feedback und manche überraschende Unterstützung in den letzten Tagen. Besonders nach der gemeinsamen Vorstellungsrunde aller Bewerber*innen habe ich gespürt: Mit meiner Motivation habe ich einen Nerv getroffen.

Denn ja, es gibt viele, die sich – genau wie ich – Sorgen machen. Um den Zustand unserer Kreisverbände. Um Strukturen, die mit dem Druck von Dauerwahlkämpfen kaum Schritt halten können. Und um Erwartungen an Ehrenamtliche, die oft mehr leisten, als sie sollten müssen.

Diese Gespräche haben mir gutgetan. Sie haben mich bestärkt in dem, wofür ich kandidiere: für eine Landespartei, die ihre Basis ernst nimmt. Die nicht nur fordert, sondern auch ermöglicht. Die von unten nach oben denkt, nicht umgekehrt.

Gleichzeitig wäre es unehrlich, zu verschweigen, dass dieser parteiinterne Wahlkampf leider nicht frei von Schattenseiten war. Ich komme aus Berlin, habe dort Machtkämpfe auf Landes- wie Bundesebene miterlebt – ich weiß, wie rau es zugehen kann. Aber ich hatte gehofft, dass wir hier in Sachsen-Anhalt – mit gerade einmal etwas über 1.400 Mitgliedern (nicht einmal ein Prozent unserer bundesweiten Mitgliederschaft) – anders miteinander umgehen. Dass wir uns auf das konzentrieren, was vor uns liegt: ein herausfordernder Landtagswahlkampf.

Diese Hoffnung war naiv. Und ja, es hat mich verletzt, wie schnell einzelne Personen mit gezielten Falschbehauptungen Stimmung gemacht haben – wohl aus Angst vor Veränderung, nicht aus eigener Kandidatur heraus. Solche Mechanismen kenne ich, aber ich finde sie in einer kleinen, kämpfenden Landespartei fehl am Platz. Zumal die Vorwürfe nachweislich falsch waren. Das beschäftigt mich, denn es schreckt vermutlich auch unsere vielen neuen Mitglieder ab, in Zukunft ebenfalls Verantwortung übernehmen zu wollen.

Wichtig ist mir an dieser Stelle: Ich habe keinen Grund zu glauben, dass diese Gerüchte von meinem Mitbewerber ausgehen. Wir haben uns in der bisherigen Begegnung offen und kollegial ausgetauscht. Und so sollte es sein. Ein Wettbewerb um den Landesvorsitz darf und soll auch kontrovers geführt werden – aber er braucht Respekt und einen klaren Blick auf das, worum es wirklich geht. Und ich kann für mich sagen: So habe ich den parteiinternen Wahlkampf erlebt – zumindest bis diese Woche.

Wir stehen in Sachsen-Anhalt vor enormen Herausforderungen. Unsere Basis ist vielerorts überlastet. Die Fünf-Prozent-Hürde wird kein Selbstläufer. Wer glaubt, wir könnten uns dabei innerparteiliche Reibereien leisten, irrt. Was wir brauchen, ist Zusammenhalt. Und eine Parteikultur, in der Macht nicht Selbstzweck ist – sondern Mittel zur Gestaltung. Und wir brauchen einen respektvollen Umgang untereinander – jenseits von Ämtern und Zuständigkeiten. Denn am Ende wird es nur gemeinsam gehen.

Dennoch gehe ich mit Zuversicht in den morgigen Parteitag. Und mit dem Wunsch, dass wir aus diesem Wettbewerb nicht nur mit einer neuen Parteispitze, sondern auch mit einem neuen Miteinander hervorgehen.

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